Freie ArbeiterInnen Union Potsdam

Es könnte so schön sein: die Produktivität steigt und steigt, immer weniger Arbeit wird eigentlich benötigt, um ein angenehmes Leben für alle zu garantieren. Und dennoch haben wir immer mehr Stress: entweder wir werden auf Arbeit verheizt, in der Schule oder Uni für den Überlebenskampf gedrillt oder auf den Ämtern schikaniert. Das Leben der meisten Menschen ist von Angst bestimmt - der Angst, den Job zu verlieren, allein zu sein, den Anschluss zu verpassen.

Als Entschädigung dafür dürfen wir - sofern wir ein erträgliches Einkommen haben - uns immer mal wieder irgendwelchen Scheiß kaufen, der meist nur dazu dient, sich selbst oder den Nachbarn "Erfolg" vorzugaukeln.

Nüchtern betrachtet dürfte klar sein: SIE haben uns in Wirklichkeit nicht viel mehr zu bieten, als den ewigen Kreislauf von Malochen-Fernsehen-Schlafen und ab und an ein paar Wochen animierte Verwahranstalt auf Mallorca.

Wir - eine noch kleine Gruppe von Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen (vom Azubi und Studenten bis hin zum Langzeitarbeitslosen oder Vollzeitmalocher) - haben uns zu einer Ortsgruppe der Freie ArbeiterInnen Union (FAU) zusammengeschlossen, weil wir der Meinung sind, dass das bestehende - ebenso unsinnige wie menschenverachtende - System einer organisierten Gegenwehr bedarf. Wir denken, dass politische Feierabendaktivitäten wie auch Ein-Punkt-Bewegungen nicht ausreichend sind, wenn wir die heutigen Herrschaftsstrukturen ernsthaft in Frage stellen wollen. Die FAU versucht daher, den Widerstand dort zu organisieren, wo wir selbst am meisten betroffen sind: auf Arbeit, dem Arbeitsamt, der Uni oder dem ganz alltäglichen Lebensumfeld im Stadtteil. Die FAU versteht sich als eine anarchosyndikalistische Gewerkschaft - ohne Funktionäre und fette Kassen, aber mit dem unbedingten Willen zur Solidarität und dem Ziel der Überwindung des Kapitalismus. Die Entwicklung des DGB hin zu einem "ADAC für Arbeiter" steht im Widerspruch zur ursprünglichen Zielsetzung von Gewerkschaften. Gewerkschaftliche Organisierung muss Eigeninitiative möglich machen und sie nicht ersticken. Gewerkschaften müssen, wenn sie das Übel an der Wurzel packen wollen, die herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnisse in Frage stellen, anstatt sie zu zementieren. Nur eine solche Gewerkschaften werden in der Lage sein, dem Klassenkampf von oben die entsprechende Antwort zu liefern. Wir denken, dass auch in Potsdam eine solche Gewerkschaft nötig ist.

Künftig möchten wir uns verstärkt mit Fragen des Arbeits- und Sozialrechtes beschäftigen, um uns selbst und unseren FreundInnen bei Auseinandersetzungen mit dem Chef oder der Sachbearbeiterin unterstützen zu können. Außerdem wollen wir ein wachsames Auge auf die Entwicklungen in der Region halten, damit wir aufflammende Gegenwehr gegen die Zumutungenm von Job und Arbeitsamt unterstützen, d.h. vor allem Solidarität organisieren können.

Damit wir selbst in der Lage sind, Auseinandersetzungen - auch auf globaler Ebene - zu verstehen, wollen wir eine kontinuierliche und zielgerichtete theoretische Debatte führen und regelmäßig öffentliche Diskussionen oder Infoveranstaltungen, aber auch Lesungen oder Liederabende organisieren. Und schließlich beabsichtigen wir natürlich, die Auseinandersetzung am eigenen Arbeitsplatz oder auf dem Amt - gemeinsam mit KollegInnen und Bekannten zu führen.

Bei all unseren Aktivitäten wollen wir die Kontakte zu unseren MitstreiterInnen in den anderen Ortsgruppen und Syndikaten der FAU, wie auch international in der IAA, nutzen.

Das ist ein nicht eben geringer Anspruch - verglichen mit der Größe unserer Gruppe. Um unsere Vorhaben wirksam umsetzen zu können, brauchen wir natürlich möglichst viele MitstreiterInnen. Vielleicht kannst DU uns ja dabei unterstützen? Keine Angst - wir sind und brauchen keine Politprofis oder Berufsrevolutionäre. Gemeinsame Aktionen und Diskussionen sollen vor allem auch Spaß machen. Und nicht jedeR muss sich an allem beteiligen, was wir tun - uns ist klar, dass die meisten nur über ein arg beschränktes Zeitbudget verfügen. Was wir konkret angehen, hängt letztlich von den Leuten ab, die in der Gruppe mitarbeiten. Wir wollen keine Stellvertreterkämpfe für andere führen, sondern - gemeinsam mit anderen - die Probleme angehen, die uns unter den Nägeln brennen. Darin unterscheiden sich auch direkte Aktionen von Stellvertreterpolitik: wir appellieren nicht an andere, unsere Interessen zu vertreten, sondern nehmen sie selbst in die Hand. Wichtig ist, dass wir uns und unsere Ziele Ernst nehmen, ohne dabei die Fähigkeit zu verlieren, über uns selbst lachen zu können.