Das Arbeitslosengeld II Tipps und Hinweise -
Für Betroffene und solche, die es werden könnten


Das Arbeitslosengeld II bringt für Arbeitslose etliche Nachteile mit sich:
- Aufbrauchen eigenen Vermögens, um leistungsberechtigt zu werden
- Ständige Verfügbarkeit für Ein-Euro-Jobs
- Kürzung anrechnungsfreier Nebeneinkommen
- Hilfsarbeit statt Ausbildungsrecht für Kinder aus ALG II - Familien
- Weitgehende Versorgungspflicht für MitbewohnerInnen und Familienmitglieder von ALG II-Betroffenen ("Bedarfsgemeinschaften")
- Viele Fallstricke um die Leistungen zu kürzen oder zu streichen

Das ALG II hat einen entscheidenden Vorteil:
Alle können ALG II beantragen. Die ALG-II-Berechtigung ist nicht mehr an vorhergehende versicherungspflichtige Arbeit gebunden. Sie ist außerdem von Eltern und Verwandten unabhängig - anders als früher die Sozialhilfe.(Für Leute ohne Ausbildung, die unter 25 sind, gelten allerdings Einschränkungen.) Deshalb: ALG II beantragen! Reih Dich ein in die Arbeitslosen-Einheitsfront!

Wenn Du von Arbeitslosengeld in ALG II rutschst
Der Arbeitslosengeldanspruch bietet bessere rechtliche Voraussetzungen für Fortbildungsmaßnahmen. Für Existenzgründungen gibt es einen Rechtsanspruch auf Förderung.

Um den Arbeitslosengeldanspruch nicht zu verlieren, ist penible Wahrnehmung der Mitwirkungspflichten Voraussetzung!
ALG II wird erst bezahlt, wenn das eigene Vermögen aufgebraucht ist, bis auf einen kleinen Rest:
- einen Grundfreibetrag von 200 € pro Lebensjahr jeweils für erwerbsfähige Hilfebedürftige und ihre/seine PartnerIn, mindestens je 4.100 €, maximal 13.000 € pro Person
- "Riester"-Rente und weiteres Alterssicherungsvermögen von 200 € pro Lebensjahr, wenn dessen Verbrauch vor dem Eintritt in den Ruhestand vertraglich ausgeschlossen ist
- einen Freibetrag von 750 € für jede Person im Haushalt
- ein angemessenes KFZ für jede/n Erwerbs­fähige/n im Haushalt
- kleines Wohneigentum

Vorsicht! Auch Steuererstattungen zählen zum Einkommen.
Ist Verwertung von Vermögen oberhalb der Freibeträge unwirtschaftlich, wird ALG II nur als Darlehen gezahlt (Krankenversicherungsschutz entfällt). Das gilt z. B., wenn die Eltern die Eigentumswohnung bereits dem ALG II erhaltenden Kind überschrieben haben, aber selbst noch darin wohnen (Nießbrauch). So verarmen Familien.

Tipps zur Vermögenssicherung:
- Vor dem Ausfüllen der Anträge gründlich informieren!
- Bei Beantragung werden Nachweise zu Vermögen (Gutachten, Leihscheine, Privatschulden­verträge, Quittungen) und Unterhaltsleistungen gefordert!
- Rentenverträge prüfen, ggf. einen Nachvertrag zur Auszahlung ab 65. Lebensjahr abschließen!
- Rechtzeitig die "Angemessenheit" von KfZ, Hausgrundstück, Eigen­tumswohnung prüfen! Altes KfZ und Fahrrad gründlich überholen!
- Urlaub machen!
In den ersten 6 Monaten werden noch "unangemessen" hohe Wohnkosten anerkannt, danach nur, wenn nachweislich keine Senkung möglich ist. Bis zu zwei Jahre nach Arbeitslosengeldbezug kann ein befristeter Zuschlag bezahlt werden, um den Stoß in die Armut zu erleichtern.

Allgemeine Hinweise zum ALG II
- Der Eingliederungsvertrag ist Verhandlungssache. Es ist sehr wichtig, sich vor dem Besuch des Amtes zu überlegen, welche Eingliederungsleistungen darin stehen sollen. Hier ist gute Vorbereitung und Freundlichkeit angesagt, denn die Erteilung der Leistungen liegen im Ermessen der "FallmanagerInnen". Die Eingliederungsvereinbarung muss unterschrieben werden, sonst droht eine Kürzung. Allerdings muss das nicht sofort vor Ort geschehen, Bedenkzeit und externe Beratung sind möglich. Es gibt unabhängige Beratungsstellen. Die örtliche FAU-Gewerkschaft kann Auskunft geben,wo diese zu finden sind.
- Es ist eine gute Idee, jemand als Beistand zu Beratungsgesprächen mitzunehmen (nach § 13, SGB X).
- Beratungsstellen können den Dir zustehenden "Bedarf" unabhängig vom Amt ausrechnen. Zudem erfährt man dort, wie niedrig "angemessene" Unterkunftskosten in der Region höchstens sein dürfen.
- Lass Dich nicht dazu drängen, unterhaltspflichtige Verwandte anzugeben.

Junge Arbeitslose und SchulabgängerInnen ab 15 ohne Lehrstelle
Menschen unter 25 Jahren sind in besonderem Maße im Fadenkreuz der Bundesagentur. Das Motto lautet "kein Nachwuchs für Nürnberg". Bei denen, welche die kapitalistische Arbeitswelt neu kennen lernen, soll der Eindruck vermieden werden, man könne auch ohne geregelte Lohnarbeit irgendwie passabel überleben.
Wer Leistungen beziehen will, muss sofort jede von der Agentur angebotene Arbeit, Ausbildung und ausbildungsähnliche Maßnahme annehmen - auch chancenlose Drecksjobs. Wer das ohne wichtigen Grund verweigert wird für drei Monate völlig gesperrt! (außer Lebensmittelgutscheinen u. ä. und Unterkunfts- und Heizkosten).
Das wichtigste ist gute Vorbereitung. Ist eine Berufsausbildung gewünscht? Wenn ja, welche? Fördert die Arbeitsagentur eine Berufsausbildung?
Eine unakzeptable Beschäftigung darf nicht verweigert werden, aber Widerspruch ist möglich. Um das richtig zu machen, empfiehlt sich der Besuch einer unabhängigen Beratungsstelle.
Wenn die Eltern ALG II beziehen, kann der Verdienst aus eigener Arbeit für den Unterhalt der Eltern verwendet werden. Wenn jedoch das eigene Einkommen für den eigenen Unterhalt einschließlich Unterkunft bei den Eltern ausreicht,dann ist man kein Teil der Bedarfsgemeinschaft mehr und darf einen höheren Anteil des Einkommens behalten.
Beim Ausziehen vom Elternhaus ist es wichtig, in eine eigene Bude zu ziehen oder in ein WG-Zimmer mit eigenem Untermietvertrag. Sonst sind die Mitbewohner gegeneinander unterhaltspflichtig! Aus dem gleichen Grund ist getrenntes Wirtschaften auch beim Zusammenleben mit dem / der PartnerIn oder anderen Verwandten angesagt.
SchülerInnen, die nicht bei den Eltern wohnen, können Schüler-BaFöG beantragen.
Der wichtigste Hinweis lautet - aus anarcho-syndikalistischer Sicht - jedoch: Macht eure eigene Lage zum Ausgangspunkt eurer politischen Aktivitäten: statt EZLN, Tierbefreiung oder Antifa vielleicht mal das JobCenter und DEINEN EIGENEN SACHBEARBEITER. Die Schikanen gegen junge Arbeitslose sind soweit gediehen, dass auf Dauer nur kollektive und kämpferische Aktionen wirklich helfen.

Alleinerziehende
Alleinerziehende, die bisher Sozialhilfe bekamen, fallen ab 2005 unter ALG II.
Ist ein Kind jünger als 3 Jahre, ist Erwerbstätigkeit nicht zumutbar, so­lange das Kind nicht in der Kinderkrippe oder anderweitig betreut wird.
Ist ein Kind älter als 3 Jahre und ein Kindergarten- oder Hortplatz verfügbar oder die Betreuung auf sonstige Weise (z. B. durch Großeltern) sichergestellt, ist während der Betreuungszeit eine Erwerbstätigkeit (in jedweder Form) zumutbar. Aber:
Ist die Betreuung eines Kindes wegen Krankheit, Behinderung oder Verhaltensauf­fälligkeiten nicht durch Kindergarten, Hort oder auf sonstige Weise unabhängig von den Eltern sichergestellt, so ist Erwerbstätigkeit nicht zumutbar! Im Zweifel hilft ein ärztliches Attest.

Nebenjobs und ergänzende Sozialhilfe
Ab 1. Januar 2005 gibt es vom Sozialamt keine (zum Job) ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt und keine Beihilfen (z. B. für Bekleidung) mehr. Dazu muss dann ein ALG II-Antrag gestellt werden.
Bisher blieben 165 € Nebeneinkommen anrechnungsfrei. Mit dem ALG II werden die im Haushalt erzielten Einkommen stärker auf die Leistung ange­rechnet. Z. B. bei Minijob-Einkommen von 400 € verbleiben als Erwerbstä­tigenfreibetrag höchstens 60 €. Der Rest wird mit ALG II verrechnet. Der Aufwand für die Arbeit lohnt sich also häufig nicht.
Gilt nur für 2004: Ab 2005 wird die Aufgabe eines solchen Jobs mit Kürzungen bestraft. Deshalb ggf. noch dieses Jahr kündigen.
Bisher konnte man zeitweilig aus dem Arbeitslosengeldbezug ausscheiden, um Honorarjobs durchzuführen, die keinen Einfluss auf Arbeitslosengeld/-hilfe hatten. ALG II erschwert das, denn das Einkommen eines Monats wird auf den ganzen Monat umgerechnet. Nur die Einkünfte der letzten fünf Tage werden dem nächsten Monat zugeordnet.
Um innerhalb der geschützten Vermögensfreigrenze Geld anzusparen ist es nötig, Job und Geldzufluss auf einen bestimmten Monat zu konzentrieren. In diesem Monat ohne ALG II-Bezug muss selbst Kranken- und Rentenversicherung gezahlt werden. Allerspätestens 6 Tage vor Monatsende müssen die Einkünfte auf dem Konto sein! Dann kann zum 1. des Folgemonats wieder ALG II beantragt werden. Dem Amt muss auch keine Verdienstbescheinigung für Zeiten ohne Leistungsbezug vorgelegt werden. Ob sich das lohnt, lässt sich in einer unabhängigen Beratungsstelle berechnen.

Stand: Anfang 2006